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Pfarrer Thorsten Kisser ist Referent für Diakonische Gemeinde- und Quartiersentwicklung inklusiv am Pädagogisch-Theologischen-Zentrum Stuttgart und
arbeitet in der Projektgruppe „Aufbruch Quartier“ mit. Hier schreibt er, warum es sich lohnt, das Quartier gemeinsam zu entdecken:
„Kirchengemeinden haben leerstehende oder renovierungsbedürftige Immobilien. Diakonische Einrichtungen fühlen sich im Stadtteil isoliert. Gesellschaft verändert sich und Nachbarn wird das Miteinander schwer. Nahezu immer ist da die Frage: Wer kann sich einbringen – wer hat dafür eigentlich noch Ressourcen? Diese Herausforderungen können lähmen: Oft sind zwar tolle Ideen da, aber irgendwie fehlen Mut und Klarheit, um hier anzupacken: Knapp und am Limit – das sind wir ja eh schon …
Wer lebt denn noch so alles um Sie herum? Wo treffen sich denn die Menschen in Ihrer Nachbarschaft? Was sind frequentierte Wege? Was könnten Sie sich gegenseitig schenken? Woher wissen Sie und Ihre Nachbarn, was den anderen bewegt? Diese Fragen drängen auf direkten Kontakt: miteinander sprechen, sich auf „Fremde“ zubewegen und dabei gemeinsame Bedürfnisse als Ressourcen entdecken. Neben einzelnen Menschen sind das auch Organisationen: Die Kommune hat mit den „gleichwertigen Lebensverhältnissen“ ihre Not – wie soll sie das leisten?
Der Handwerksbäcker vor Ort und seine Nachbarn hätten gerne ein Sommercafé – aber sie finden keinen Platz. Der Kirchgarten nebenan sehnt sich nach Leben, bisher wurde er von allen übersehen. Menschen im Quartier brauchen haushaltsnahe Unterstützung. Ihre Nachbarn in der diakonischen Einrichtung wären für Kontakte dankbar. Mit diesem weiten Blick gehen die Spielräume auf. Dafür wird nicht alles neu erfunden, sondern einfach miteinander gefragt, gedacht, gelebt und – ganz wichtig – entdeckt.
Im kreativen Miteinander begegnet uns Gott
Das erinnert mich an Lukas 5, für mich ein „Aufbruch-Evangelium“: Da verstopfen zu viele Menschen ein Haus, dessen Fenster und Türen und auch die Nachbarschaft.
Alle wollen zu Jesus – alle wollen, dass ihnen geholfen wird. Das ist einfach zu viel. In Lukas 5 hätte ein Gelähmter zu gerne an diesem Glück teil – er kann das aber definitiv nicht selbst leisten. Wer neben Über-Fülle noch weitere Herausforderungen hat, hat wenig Chancen, an dieser heilsamen Nachbarschaft teilzuhaben. Vier Menschen greifen dem Gelähmten unter die Arme, decken kurzerhand das Hausdach über Jesus ab und finden so miteinander (alle fünf!) einen überraschenden Weg zu Jesus. Schon in diesem Miteinander findet das Heilsame statt: Mit weitem Herzen hinsehen und den eigenen
Blick weiten – miteinander in Kontakt gehen und sich der eigenen Barrieren bewusst werden – miteinander kreativ werden und ausprobieren. In diesem Miteinander begegnet uns Gott – spielerisch und überraschend. „
Der Beitrag ist erschienen im Magazin „sozial“ der bruderhausDiakonie, Ausgabe 3/22